Branchenblick – Südtirols Kreativbranche hat gut zu tun, aber sie leidet darunter, dass ihre Leistungen oft mindergeschätzt werden. Vor allem auf die öffentliche Hand ist die Branche derzeit schlecht zu sprechen. Ein Interview mit Target-Präsident Arnold Malfertheiner.
SWZ: Herr Malfertheiner, wie geht’s der Südtiroler Werbebranche? Profitiert sie von der guten Wirtschaftslage im Lande?
Arnold Malfertheiner:
Es ist eine Bewegung nach oben spürbar. Angesichts des wirtschaftlichen Aufschwungs und der damit zusammenhängenden steigenden Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen suchen die Anbieter Sichtbarkeit, damit sie – und nicht die Mitbewerber – die Nachfrage bedienen können. Die Auftragsbücher der Branche sind voll, doch die Ertragslage erholt sich nur langsam.
Wie kann das sein?
Viele Kunden schauen immer stärker auf den Preis. Sie gehen davon aus, dass wir Kreative die Ideen nur so aus dem Ärmel schütteln, und unsere Ideen daher nichts kosten dürfen. Dabei wird der Wert einer Leistung oft unterbewertet. Denn: Kreativität ist keine Fließbandarbeit, bei der sich durch bessere Maschinen Effizienz- und Kostenvorteile erzielen lassen.
Was will der Kunde heute, wenn er sich an Kreativagenturen wendet?
Grob gesagt, gibt es zwei Arten von Kunden. Die erste Gruppe von Kunden sucht den 360-Grad-Kümmerer, dem sie den Auftritt nach außen mehr oder weniger überantworten. Die zweite Gruppe sucht den Spezialisten für eine spezielle Kampagne oder für die jeweiligen Kanäle.
Lassen Sie uns über den 360-Grad-Kümmerer reden.
Es gibt Unternehmen, die einen einzigen Ansprechpartner für alle Kommunikationskanäle wünschen und gleichzeitig eine starke Stütze bei der strategischen Ausrichtung der Kommunikation. In solchen Fällen ist es aber unbedingt notwendig, dass das Unternehmen die Kommunikation nicht einfach auslagert. Die externe Agentur kann ein Begleiter und Berater sein, fast schon ein Coach, der mit seiner Expertise das bestmögliche Ergebnis garantiert. Kommunikation ist nun mal authentischer, wenn sie aus dem Bauch des Unternehmens kommt.
Und jetzt zum Spezialisten.
Die Spezialisten werden punktuell herangezogen, zum Beispiel Spezialisten für Videomarketing, für Storytelling oder für die Social-Media-Welt. Die Kommunikationsmöglichkeiten sind vielfältiger geworden, und das hat Spezialisten entstehen lassen, die ganz individuelle Lösungen bieten. Sie wissen, wie beispielsweise YouTube nachhaltig funktioniert oder auf welche Inhalte Instagram-Nutzer ansprechen. Im Idealfall ergeben dann die Leistungen verschiedener Spezialisten ein stimmiges Gesamtbild. Es ist auch durchaus üblich, dass die erwähnten 360-Grad-Kümmerer sich für einzelne Bereiche die Leistungen von Spezialisten einkaufen.
Wie hat sich die Werbebranche in den vergangenen 20 Jahren geändert?
Die Multikanalität, also die Vielzahl an möglichen Offline- und Online-Kanälen, hat die Werbebranche verändert. Während die Werbebranche vor 20 Jahren geprägt war von Generalisten, sind in den vergangenen Jahren immer mehr Spezialisten entstanden. Es ist kaum mehr möglich, alle Kanäle professionell aus einer Hand zu bespielen – daher auch die Zusammenarbeit der 360-Grad-Kümmerer mit Spezialisten.
Es fällt auf, dass vor allem größere Südtiroler Unternehmen häufig auf auswärtige Agenturen zurückgreifen. Sind Südtirols Agenturen zu klein, um sie zu begleiten?
Es gibt ganz wenige Südtiroler Unternehmen, die tatsächlich auf weltweit tätige, größere Strukturen zurückgreifen müssen, um einen internationalen Markt zu erreichen. Aber der allergrößte Teil der Notwendigkeiten von Südtiroler Unternehmen kann von Südtiroler Agenturen gedeckt werden. Die Kompetenz der Südtiroler Dienstleister hat massiv zugenommen. Ich traue mich zu sagen, dass das Potenzial der Südtiroler Kommunikationsagenturen unterschätzt wird. Es ist halt einfach so, dass der Missionar aus der Ferne oft mehr zählt als der Dienstleister vor der Haustüre.
Wie kommen die Werbetreibenden mit den neuen Vergaberegeln des Landes für öffentliche Aufträge zurecht? Hat die Landespolitik da ein gutes Regelwerk geschaffen?
Die Werbetreibenden tun sich derzeit sehr schwer mit der Vorgangsweise der öffentlichen Hand. Es geht soweit, dass immer mehr Kollegen sich an Ausschreibungen nicht mehr beteiligen. Zum einen werden fast in jeder Ausschreibung arbeitsintensive Leistungen wie zum Beispiel grafische Vorschläge gefordert, ohne dass wir uns mit dem Kunden konfrontieren können – dabei muss Grafik Ausdruck von innen sein und nicht von außen. Zum anderen müssen die Agenturen viel Zeit aufwenden für das Entwickeln von Ideen, die dann teilweise ohne entsprechende Honorierung in den Besitz des Landes übergehen und im schlimmsten Fall mit einem Billiganbieter umgesetzt werden. Da wird das Urheberrecht mit Füßen getreten. Äußerst fragwürdig sind auch die sogenannten Marktrecherchen, die das Land für sich als Schlupfloch entdeckt hat.
Erzählen Sie.
Die öffentliche Hand fordert unter dem Deckmantel der Marktrecherche vollständige grafische Entwürfe und Detailkonzepte und behält sich vor, diese dann zu verwenden oder auch nicht. Der Aufwand, den die Kommunikationsagenturen betreiben müssen, wird nicht vergütet. Es ist, als würde ich im Restaurant das Wienerschnitzel kosten wollen, um dann zu entscheiden, ob ich ein Wienerschnitzel bestellen möchte. Da muss die Landesregierung dringend etwas ändern. Genau genommen müsste die öffentliche Hand mit gutem Beispiel vorangehen. Hingegen legt sie eine Minderschätzung für kreative Arbeit an den Tag.
Findet die Kreativbranche genügend Mitarbeiter oder leidet sie ähnlich wie andere Branchen am Mitarbeitermangel?
Wir leiden massiv unter Fachkräftemangel, vor allem weil in unserer Branche sehr viele Berufsprofile entstanden sind, für die es keine Ausbildung gibt. Die heimische Ausbildungslandschaft ist gefordert, mit ihrer Entwicklung nachzuziehen und Ausbildungen anzubieten, so wie es sie für die Grafiker bereits gibt. Derzeit bilden wir unsere Mitarbeiter selber aus.
Interview: Christian Pfeifer
Quelle: Südtiroler Wirtschaftszeitung – Nr.34 | 18 vom Freitag, den 14. September 2018